Berlin schenkt Buenos Aires drei Bären

Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit wird Ehrenbürger der argentinischen Partnerstadt

Während des Besuchs des Regierenden Bürgermeisters in Buenos Aires wird viel über Kultur und Geschichte geredet werden. Die argentinischen Gastgeber schätzen das. Denn im Alltag peinigen sie Armut und Kriminalität.

Drei putzige Bärenkinder schenkte Berlin der argentinischen Hauptstadt. Zwei Städte mit großer Zukunft schlossen auf diese Art Brüderschaft. Bärenstark fühlte man sich damals an der Spree und am Rio de la Plata.

Heute verziert das Wappentier der deutschen Hauptstadt etliche Häuserwände in Buenos Aires. Aus Protest. "Mach Dich nicht zum Bären!" steht auf spanisch auf den Plakaten. Was soviel heißt wie: "Mach Dich nicht zum Gespött!" Gemeint ist damit der Regierungschef von Buenos Aires, Anibal Ibarra, der im August mit Wowereit in Berlin die Kulturwochen der Partnerstädte eröffnet hatte. Die Angestellten der Metropole fordern die längst fällige Lohnerhöhung. Doch das Stadtoberhaupt hat nach der Prasserei seiner Vorgänger nichts mehr zu vergeben. Der liberale Peronist verwaltet Mangel und horrende Schulden.

Für Klaus Wowereit, der Buenos Aires bis Mittwoch einen Gegenbesuch abstattet, mag dies alltäglich klingen. Die Lage am Rio de la Plata ist jedoch weitaus dramatischer als in Berlin. Vorbei sind die glorreichen Zeiten, als Buenos Aires eine der reichsten Städte der Welt war, als man sich im vornehmen Stadtteil Recoleta Bürgersteige aus Marmor leisten konnte. Heute florieren vor allem Kriminalität, Korruption und Krise. Alle 20 Stunden findet im Zwölf-Millionen-Ballungsraum eine erpresserische Geiselnahme statt. Die einst für Südamerika mustergültige Mittelschicht kämpft gegen den sozialen Abstieg. Wowereit braucht nicht weit zu gehen, um das Erbe einer selbstherrlichen politischen Kaste und eines hemmungslosen Neoliberalismus zu sehen, die Argentinien zur Jahrtausendwende in die schlimmste Wirtschaftskrise der Geschichte stürzten. Auch vor seinem Hotel im noblen Hafenviertel Puerto Madero suchen Menschen Nacht für Nacht nach Wiederverwertbarem im Abfall der Büros und Restaurants.

Wer nun glaubt, die Bewohner von Buenos Aires verfallen in Resignation, kennt die "Porteños" (Hafenleute) nicht. Sie treffen sich wie eh und je mit Kind und Kegel in den unzähligen Restaurants, denn mit gegrilltem Fleisch lassen sich die täglichen Probleme besser bewältigen. Am Wochenende zelebrieren sie mit lautstarker Hingabe die große Sause, bringen Fußballstadien und Diskotheken zum Beben, um schließlich am Sonntag bildungshungrig in Museen und Kulturzentren einzufallen.

Vitalität und Kreativität in Buenos Aires sind trotz aller Schwierigkeiten ungebrochen. Mode und Design erleben einen atemberaubenden Boom. Vor allem die junge Generation hält Schritt mit internationalen Gepflogenheiten, bewundert die Erneuerung, die Berlin seit dem Mauerfall vollzogen hat. Regierungschef Ibarra bemüht sich, daß Buenos Aires nicht den Anschluß an weltoffene Großstädte verliert. So legalisierte er die Ehe für gleichgeschlechtliche Partner. Eine kleine Revolution im katholischen Südamerika.

Der Besuch von Wowereit, der heute die Ehrenbürgerwürde erhalten soll, ist von großer symbolischer Bedeutung. Denn die Sehnsucht von Buenos Aires war es stets, als "europäische Stadt" zu gelten.

Christian Bahr (Buenos Aires)